Klein aber oho! Wie fühlt sich Nano an?

Am Beispiel: Funktionelle Textilien durch den Einsatz von Nanotechnologie

Die Nanotechnologie wird vielfach als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts betrachtet – auch für die Textilindustrie. Mittlerweile ist es nicht nur möglich, einen optischen Eindruck von den Vorgängen auf molekularer Basis zu erlangen, sondern diese auch gezielt zu beeinflussen. Indem man Nanopartikeln an altbekannte Materialien anbindet oder eingliedert entstehen neue, faszinierende Werkstoffe, die z. T. völlig neue Oberflächeneigenschaften besitzen.

Vielfach steht die Natur Pate für innovative Ideen im Bereich der Nanotechnologie. Das Stichwort lautet hier Bionik. Bei der Entwicklung schmutzabweisender Oberflächen hat man sich z. B. am Blatt der Lotuspflanze orientiert, an dem Schmutzpartikel aufgrund der mikrorauhen Oberflächen nicht haften bleiben und einfach von Wasser weggespült werden.

Das faszinierende Farbspiel von Schmetterlingsflügeln oder Muschelperlmut diente als Vorlage für die Entwicklung von Partikeln und Dispersionen, mit denen sich die Farbe von Materialien abhängig vom Einfallswinkel des Lichtes scheinbar verändert. Badeanzüge mit extrem niedrigem Strömungswiderstand für Hochleistungssportler sind der Haut von Haifischen nachempfunden. Nanopartikel in Sonnencremes oder UV-Schutzkleidung schützen die Haut durch das Reflektieren energiereicher Sonnenstrahlen vor Schädigungen.

Für Wellness und medizinische Anwendungen eigenen sich Mikro- oder Nanokapselsysteme, welche nachträglich auf das fertig konfektionierte Textil aufgebracht werden und durch die beim Tragen entstehende Reibung die inkorporierten Wirkstoffe freisetzen. Die nanoskaligen Depotstrukturen von Cyclodextrinen sind in der Lage, Geruchsmoleküle adsorptiv zu binden und bei der nächsten Wäsche wieder freizusetzen. Damit lassen sich so genannte Fresh-Ausrüstungen für Kleidungsstücke gestalten. Hinsichtlich hochfester oder halbleiterartiger Fasern werden Carbon Nanotubes in den nächsten Jahren eine unverzichtbare Rolle spielen.

Damit eröffnet die Nanotechnologie Textilien vielfältige neue Einsatzbereiche und für Hersteller und Handel neue Zielgruppen und Umsatzchancen. Mit der weiteren Verbreitung wird der Nachweis der gesundheitlichen Unbedenklichkeit an Bedeutung gewinnen und Voraussetzung für eine nachhaltige Akzeptanz solcher neuen Produkte sein.

gewünschte Materialeigenschaft Wirkprinzip
Textilien Superhydrophobierung – d. h. extrem wasserabweisendes Verhalten
Materialien
Nanopartikel: Siliciumdioxid (SiO2) oder Sol-Gel
UV-Schutz, Faserschutz, Nanopartikel: Titandioxid (TiO2 – Rutil) oder Zinkoxid (ZnO)
oxidative Katalyse (Schadstoffe wie Formaldehyd oder andere
organische Emissionen werden katalytisch zersetzt)
Nanopartikel: Titandioxid (TiO2 – Analas)
Schmutzabweisende Funktion – vergleichbar mit der Lotusblüte Mikroraue, dreidimensionale Oberflächenstruktur
Bindung von unangenehmen Gerüchen (physikalisch) Cyclodextrine („Körbchenförmige“ Stärkemoleküle)
Bildung von unangenehmen Gerüchen (bio-chemisch) Nano-Silberpartikel
Antimikrobielle Textilien (z. B. für Neurodermitiker) Nano-Silberpartikel
Elektromagnetische und Infrarot-Schutzkleidung (EM/IR) Nanopartikel: Indium-Zinn-Oxid (InSnO)
Stromleitende, magnetische Eigenschaften (Remote Heating) z. B.
zur Wärmung von Outdoorkleidung
Nanopartikel: Eisen (Fe) und Eisenoxid (Fe2O2)
Wundauflagen mit antiadhäsiver Wirkung Keramische Nano-Beschichtung (Sol-Gel-Verfahren)
Sonstige Interferenzfarben – bei denen der Farbeindruck ähnlich wie einem
Schmetterlingsflügel oder dem Perlmut einer Muschel abhängig vom
Einfallwinkel des Lichts wechselt
Kern-Schale (Core Shell) -Partikel mit Dimensionen im Bereich des
sichtbaren Lichts; Nanoskalige Lichtfallen
Interferenzfarben und andere Veränderungen der optischen
Eigenschaften
Kristallisierte Nanodispersionen mit Dimensionen der Partikel im
Bereich des sichtbaren Lichts (400-800nm)
Verbesserte Abriebfestigkeit Keramische Nanopartikel: (Aluminiumoxid (Al2O3)

Dr. Jan Beringer, Wissenschaftlicher Leiter Abt. Function and Care an den Hohensteiner Instituten in Bönnigheim

An den Hohensteiner Instituten beschäftigt sich Dr. Beringer insbesondere mit der Funktionalisierung von Textilien mittels Nanotechnologie und textilem UV-Schutz.Die Doktorarbeit mit dem Titel „Zellstoff aus Weizenstroh: Gewinnung durch Aufschlussverfahren mit Ameisen- und Essigsäure sowie Untersuchungen zur Zellstoffstruktur und Eignung als Papier- und Chemiezellstoff“ wurde an der Universität Stuttgart in der Fakultät Chemie von Prof.Dr. rer. nat. Karl Bredereck betreut.
www.hohenstein.de