Schöne neue Heimat

Fünf Jahre waren sie schon in den unendlichen Weiten des Alls unterwegs, auf der Su­che nach einem Planeten, der ihnen zur neuen Heimat werden sollte. Ihr eigener, ur­sprünglich paradiesischer Stern war unbewohnbar geworden, nachdem der Ver­such, die schwindenden fossilen Energien vollständig durch die Kraft der ge­spal­te­nen Atome zu ersetzen, in einem Desaster von unvorstellba­rem Ausmaß geendet hat­te.
Nun schienen sie am Ziel zu sein.
Die fünf kugelförmigen, metallisch glänzenden Raumfähren schwebten in der hell­blauen Atmosphäre eines Planeten, durch die sie sich nun schon seit Tagen be­weg­ten. Nach ihren Berechnungen konnte ihr Volk auf diesem Sonnentrabanten sein Überleben sichern.
Es gab eine starke Vegetation auf den großen Landmassen zwischen den blauen Ge­wäs­sern. Wälder, Wiesen, Gebirge und Steppen waren zu erkennen, auch Seen und Flüsse, nur die Pflan­zen besaßen hier eine grüne Farbe und waren nicht blau wie in ihrer alten Heimat. Vie­les erinnerte sie tatsächlich an ihre frühere Welt – vor der Katastrophe.
Ihre Navigation sah nun eine Landung auf einem der grünen Landteile vor, nach un­­gefähr zehn weiteren Umdrehungen dieses Planeten. Da er mehr als zwölf Mil­lio­nen Mal größer war als ihr Heimatplanet, würden sie noch einige Zeit benötigen, um sich durch die ge­waltige hohe Schicht seiner Atmosphäre zu bewegen.
Vielleicht – so hofften sie – würden sie auch eine unterentwickelte Spe­cies auf­fin­den, der sie helfen konnten, sich zu zivilisierten Wesen zu ent­wi­ckeln. Mit ihrer Po­pulation von zwei Millionen Personen, die sich auf ihre Fähren hatten ret­ten kön­nen, besaßen sie genügend Potenzial an Wissenschaftlern, Künst­lern, Phi­lo­so­phen, Ärzten, Theologen, Politikwissen­schaftlern und hatten dazu alle Ar­ten von qua­lifizierten Ingenieuren und Handwerkern, nebst all den anderen hoch mo­­ti­vier­ten und gebildeten Personen, die sich der möglichen Ureinwohner dann schon an­neh­men würden.

Es war zehn Tage später an einem leuchtenden Frühlingstag auf der Erde. Der klei­ne Timo saß am Balkontisch und war in sein Star-Trek-Spiel vertieft. Gedan­kenlos griff er nebenher zu seinem Glas Himbeersaft – und erstarrte.
»Mami!«, rief er, »guck mal, was da Komisches in meinem Glas schwimmt! Das sieht aus wie lauter kleine Kügelchen aus Metall. Fünf Stück sind es!«
»Ach, was du schon wieder zusammenfabulierst! Metallkügelchen … ah, doch, ja, jetzt seh ich es auch. Du, das sieht ja wirklich komisch aus. Ob da wieder mal ir­gend­was Giftiges von der Chemiefabrik rübergeflogen ist? Komm lieber rein und spiel drin weiter. Ich kipp das Zeug in den Ausguss und bring dir ein neues Glas!«

Text von Gudrun Reinboth